Es gab eine Zeit, da dachte ich, ich würde niemals abstillen. Ich würde es einfach nie schaffen. Doch jetzt stille ich den Kobold nach 33 Monaten nicht mehr. Und ich sehe auf eine wunderbare eng-verbundene Zeit zurück. Natürlich voller Höhen und Tiefen. Aber durchweg gezeichnet von einer sehr tiefen Verbundenheit zwischen mir und dem kleinen Mann. Denn vor ca. 8 Wochen habe ich ihn das letzte Mal gestillt
Das erste Jahr und noch etwas länger habe ich ihn voll gestillt. Das einzige was seine Lippen in diesem Jahr außer Muttermilch passierte war ab und zu ein grüner Smoothie, Wasser und Papaya. Und das in so kleinen Mengen, dass man es nahezu vernachlässigen kann. Und trotz dem es so gute Sachen waren, die ich ihm als erstes zu probieren gegeben habe, hatte ich doch das Gefühl, ich würde ihn vergiften... verrückt, oder?
Im zweiten Jahr kam dann von Seiten meines Mannes immer mal wieder die Anmerkung, ich könnte doch so langsam weniger stillen. Und ich habe mich verraten gefühlt. Ich war in Panik. Wie konnte es denn sein, dass er so eine enge Mutter-Kind_Beziehung nicht versteht? Wie konnte ich unser Kind weniger stillen? Unmöglich. Und unfassbar, wie er es nur so sehen konnte. Weniger stillen? Niemals. Ach ja, verrückte Homone...
Der Prozess des Abstillens war für mich ein Weg, der über eineinhalb Jahre dauerte. Dazu muss man erwähnen, dass mein Kleiner für das Stillen gemacht zu sein schien. Direkt nach der Geburt hatte er einen solchen Zug drauf... wie kann so ein Würmchen so stark trinken? Wirklich erstaunlich. Und ich hatte das unfassbare Glück, dass ich immer mehr als genug Milch hatte. Selbst jetzt nach 8 Wochen ohne Stillen, habe ich noch Milch... Natürlich stillte ich ihn immer weniger. Das ist ja auch ganz normal, denn die Mäuse wollen ja schließlich auch das essen, was wir da so auf dem Teller haben. Aber es war für mich etwas anderes, wenn es so passiert, wenn es vom Kind ausgeht. Das war vollkommen in Ordnung so.
Und langsam schleichend kam es dann in diesem Jahr dazu, dass ich immer weniger gestillt habe. Unmerklich beinah, für mich und den Kobold. Irgendwann stellte ich fest, dass wir nur noch abends vor dem zu Bett gehen stillten. Ein festes Ritual, das so lange währte, wie sein Leben bisher andauerte. Also für ihn eine Ewigkeit lang, so war es schon immer und noch nie anders. Bemerkenswert, wenn man sich das einmal wirklich vorstellt...
Im letzten halben Jahr habe ich gemerkt, dass es für mich immer schwieriger wurde. Mein Kobold ist ein großer Junge. Viele halten ihn für vier, dabei ist er nicht mal drei. Er ist super fit, klettert seit er 1 1/2 ist Leitern rauf und runter, springt, hüpft und erzählt mittlerweile die tollsten Geschichten. Aber allein die Größe und damit die Kraft haben mir beim Stillen zu schaffen gemacht. Aber auch egoistische Gefühle, für die ich mich stark schämte, kamen in mir hoch. Aus welchen niederen egoistischen Gründen konnte ich es mir anmaßen, dass ich es ernsthaft in Erwägung gezogen habe, mein Baby abzustillen? Wenn er es doch noch brauchte? Wenn er mich doch noch so brauchte? Ich fühlte mich schlecht. Hin- und Hergerissen zwischen den Gefühlen als stillende Mutter und den Gefühlen mir selbst gegenüber. Denn plötzlich wollte ich meinen Körper wieder für mich allein. Ja, solch ein Gefühl hatte ich in mir...
Bis zu dieser Zeit ist der Kobold immer bei uns im Wohnzimmer eingeschlafen. Und wenn wir ins Bett gingen, haben wir ihn mit runter genommen (unser Schlafzimmer liegt im Keller) in unser Familienbett. Doch in dieser einen Woche im Juni war es so warm und wir beschlossen, einfach mit dem Zwerg nach unten in das kühle Schlafzimmer zu gehen, dort noch etwas zu spielen, dann stillen, dann schlafen. Soweit gedacht. Wir gingen runter, spielten, hörten eine Geschichte - und der Kobold schlief ein. Am Abend des nächsten Tages fragte er zu unserem Erstaunen, ob wir nicht wieder runter gehen wollten "Ein bisschen 'pielen!". Na klar :)! Also sind wir wieder zusammen ins Schlafzimmer, spielten ein wenig, hörten eine Geschichte und er schlief ein... Und damit war es passiert. Wir hatten abgestillt. Einfach so.
Wir veränderten einfach unser Abendritual und schon war es passiert. Es war für den Kleinen zum Schluss zur Gewohnheit geworden. Er brauchte es nicht mehr unbedingt. Ich merkte also, dass er nicht mehr die Milch brauchte, auch nicht mehr diese unmittelbare, grenzenlose Nähe die man beim Stillen erlebt... sondern einfach nur uns, nah bei sich, seine Hand auf meiner Brust und schon konnte er seelenruhig einschlafen.
Wie geht es uns jetzt mit dieser neuen Situation? Ihm geht es toll. Am Anfang hatte er ganz oft die Hand auf meiner Brust, ich glaube das war so eine Art Ersatzhandlung. Nach zwei oder drei Wochen kam er zu mir, kuschelte sich in meine Arme und meinte, dass wenn er wieder ein Baby sei, dann würde er wieder Milch trinken. Das war so süß... Mittlerweile hat er seine Hände nicht mehr so oft auf meiner Brust, aber gerne wenn er einschläft oder kuschelig ist. Aber trinken ist für ihn kein Thema mehr.
Und mir? Ich habe seit dem zu Kämpfen. Mir geht es nicht so gut. Eine Woche nach dem Abstillen hatte ich Symptome wie bei einer Grippe. Ich bin unausgeglichen, sogar launisch und das ist gar nicht mein Stil. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich eine Traurigkeit in mir fühle und gedankenverloren dasitze. Ich weiß nicht, ob es mit dem Abstillen zusammenhängt, aber da es alles zu dieser Zeit anfing, könnte es daran liegen. Ich bekomme auch nicht so viel geregelt, ich fühle mich lethargisch. Kleinste Dinge regen mich total auf und manchmal bin ich mit dem Kobold überfordert und werde dann ungerecht. Ich mag das alles nicht an mir. Ich mag es wirklich nicht. Aber das Abstillen ist nun schon gut acht Wochen her. Ich glaube meine Hormone versuchen sich ein zu pendeln und haben da ab und zu nicht so großen Erfolg. Ich hoffe, dass es bald besser wird, denn es schlaucht und macht mich fertig. Ich habe über Wochenbettdepressionen gelesen und erfahren, dass sie sich auch einstellen können, wenn man abstillt. Aufgrund des abfallenden Hormonspiegels kann es zu diesen Verstimmungen kommen. Allerdings war es bei mir ja kein schnelles Abstillen, sondern ein seeeeehr langsames... Und so weiß ich einfach nicht, ob es am Abstillen liegt, ich gerade einfach nicht gut drauf bin oder ob ich einfach erschöpft bin. Vielleicht alles zusammen.
Ich habe das Stillen geliebt. Ich habe diese Nähe sehr geliebt, mein kleines Kind im Arm, zu spüren wie er sich beruhigt und es liebt, bei mir zu sein. Und jetzt haben wir einen großen Schritt gemacht. Ich lasse meinen Zwerg ein Stückweit los. Und er wird groß.
Seufz. Loslassen ist gar nicht so einfach.
♥