Montag, 10. August 2015

Abstillen

Es gab eine Zeit, da dachte ich, ich würde niemals abstillen. Ich würde es einfach nie schaffen. Doch jetzt stille ich den Kobold nach 33 Monaten nicht mehr. Und ich sehe auf eine wunderbare eng-verbundene Zeit zurück. Natürlich voller Höhen und Tiefen. Aber durchweg gezeichnet von einer sehr tiefen Verbundenheit zwischen mir und dem kleinen Mann. Denn vor ca. 8 Wochen habe ich ihn das letzte Mal gestillt

Das erste Jahr und noch etwas länger habe ich ihn voll gestillt. Das einzige was seine Lippen in diesem Jahr außer Muttermilch passierte war ab und zu ein grüner Smoothie, Wasser und Papaya. Und das in so kleinen Mengen, dass man es nahezu vernachlässigen kann. Und trotz dem es so gute Sachen waren, die ich ihm als erstes zu probieren gegeben habe, hatte ich doch das Gefühl, ich würde ihn vergiften... verrückt, oder?

Im zweiten Jahr kam dann von Seiten meines Mannes immer mal wieder die Anmerkung, ich könnte doch so langsam weniger stillen. Und ich habe mich verraten gefühlt. Ich war in Panik. Wie konnte es denn sein, dass er so eine enge Mutter-Kind_Beziehung nicht versteht? Wie konnte ich unser Kind weniger stillen? Unmöglich. Und unfassbar, wie er es nur so sehen konnte. Weniger stillen? Niemals. Ach ja, verrückte Homone...


Der Prozess des Abstillens war für mich ein Weg, der über eineinhalb Jahre dauerte. Dazu muss man erwähnen, dass mein Kleiner für das Stillen gemacht zu sein schien. Direkt nach der Geburt hatte er einen solchen Zug drauf... wie kann so ein Würmchen so stark trinken? Wirklich erstaunlich. Und ich hatte das unfassbare Glück, dass ich immer mehr als genug Milch hatte. Selbst jetzt nach 8 Wochen ohne Stillen, habe ich noch Milch... Natürlich stillte ich ihn immer weniger. Das ist ja auch ganz normal, denn die Mäuse wollen ja schließlich auch das essen, was wir da so auf dem Teller haben. Aber es war für mich etwas anderes, wenn es so passiert, wenn es vom Kind ausgeht. Das war vollkommen in Ordnung so.

Und langsam schleichend kam es dann in diesem Jahr dazu, dass ich immer weniger gestillt habe. Unmerklich beinah, für mich und den Kobold. Irgendwann stellte ich fest, dass wir nur noch abends vor dem zu Bett gehen stillten. Ein festes Ritual, das so lange währte, wie sein Leben bisher andauerte. Also für ihn eine Ewigkeit lang, so war es schon immer und noch nie anders. Bemerkenswert, wenn man sich das einmal wirklich vorstellt...

Im letzten halben Jahr habe ich gemerkt, dass es für mich immer schwieriger wurde. Mein Kobold ist ein großer Junge. Viele halten ihn für vier, dabei ist er nicht mal drei. Er ist super fit, klettert seit er 1 1/2 ist Leitern rauf und runter, springt, hüpft und erzählt mittlerweile die tollsten Geschichten. Aber allein die Größe und damit die Kraft haben mir beim Stillen zu schaffen gemacht. Aber auch egoistische Gefühle, für die ich mich stark schämte, kamen in mir hoch. Aus welchen niederen egoistischen Gründen konnte ich es mir anmaßen, dass ich es ernsthaft in Erwägung gezogen habe, mein Baby abzustillen? Wenn er es doch noch brauchte? Wenn er mich doch noch so brauchte? Ich fühlte mich schlecht. Hin- und Hergerissen zwischen den Gefühlen als stillende Mutter und den Gefühlen mir selbst gegenüber. Denn plötzlich wollte ich meinen Körper wieder für mich allein. Ja, solch ein Gefühl hatte ich in mir...
Bis zu dieser Zeit ist der Kobold immer bei uns im Wohnzimmer eingeschlafen. Und wenn wir ins Bett gingen, haben wir ihn mit runter genommen (unser Schlafzimmer liegt im Keller) in unser Familienbett. Doch in dieser einen Woche im Juni war es so warm und wir beschlossen, einfach mit dem Zwerg nach unten in das kühle Schlafzimmer zu gehen, dort noch etwas zu spielen, dann stillen, dann schlafen. Soweit gedacht. Wir gingen runter, spielten, hörten eine Geschichte - und der Kobold schlief ein. Am Abend des nächsten Tages fragte er zu unserem Erstaunen, ob wir nicht wieder runter gehen wollten "Ein bisschen 'pielen!". Na klar :)! Also sind wir wieder zusammen ins Schlafzimmer, spielten ein wenig, hörten eine Geschichte und er schlief ein... Und damit war es passiert. Wir hatten abgestillt. Einfach so.

Wir veränderten einfach unser Abendritual und schon war es passiert. Es war für den Kleinen zum Schluss zur Gewohnheit geworden. Er brauchte es nicht mehr unbedingt. Ich merkte also, dass er nicht mehr die Milch brauchte, auch nicht mehr diese unmittelbare, grenzenlose Nähe die man beim Stillen erlebt... sondern einfach nur uns, nah bei sich, seine Hand auf meiner Brust und schon konnte er seelenruhig einschlafen.

Wie geht es uns jetzt mit dieser neuen Situation? Ihm geht es toll. Am Anfang hatte er ganz oft die Hand auf meiner Brust, ich glaube das war so eine Art Ersatzhandlung. Nach zwei oder drei Wochen kam er zu mir, kuschelte sich in meine Arme und meinte, dass wenn er wieder ein Baby sei, dann würde er wieder Milch trinken. Das war so süß... Mittlerweile hat er seine Hände nicht mehr so oft auf meiner Brust, aber gerne wenn er einschläft oder kuschelig ist. Aber trinken ist für ihn kein Thema mehr.

Und mir? Ich habe seit dem zu Kämpfen. Mir geht es nicht so gut. Eine Woche nach dem Abstillen hatte ich Symptome wie bei einer Grippe. Ich bin unausgeglichen, sogar launisch und das ist gar nicht mein Stil. Ich ertappe mich oft dabei, dass ich eine Traurigkeit in mir fühle und gedankenverloren dasitze. Ich weiß nicht, ob es mit dem Abstillen zusammenhängt, aber da es alles zu dieser Zeit anfing, könnte es daran liegen. Ich bekomme auch nicht so viel geregelt, ich fühle mich lethargisch. Kleinste Dinge regen mich total auf und manchmal bin ich  mit dem Kobold überfordert und werde dann ungerecht. Ich mag das alles nicht an mir. Ich mag es wirklich nicht. Aber das Abstillen ist nun schon gut acht Wochen her. Ich glaube meine Hormone versuchen sich ein zu pendeln und haben da ab und zu nicht so großen Erfolg. Ich hoffe, dass es bald besser wird, denn es schlaucht und macht mich fertig. Ich habe über Wochenbettdepressionen gelesen und erfahren, dass sie sich auch einstellen können, wenn man abstillt. Aufgrund des abfallenden Hormonspiegels kann es zu diesen Verstimmungen kommen. Allerdings war es bei mir ja kein schnelles Abstillen, sondern ein seeeeehr langsames... Und so weiß ich einfach nicht, ob es am Abstillen liegt, ich gerade einfach nicht gut drauf bin oder ob ich einfach erschöpft bin. Vielleicht alles zusammen.

Ich habe das Stillen geliebt. Ich habe diese Nähe sehr geliebt, mein kleines Kind im Arm, zu spüren wie er sich beruhigt und es liebt, bei mir zu sein. Und jetzt haben wir einen großen Schritt gemacht. Ich lasse meinen Zwerg ein Stückweit los. Und er wird groß.

Seufz. Loslassen ist gar nicht so einfach.


4 Kommentare:

  1. Ach, liebe Miriam, ich kann dich soo gut verstehen. Beim Lesen kommen mir ja sogar ein wenig die Tränchen. Du hattest vor längerer Zeit schon einmal über dieses Thema geschrieben und da ist es dir auch nicht so gut gegangen. Vielleicht kannst du dich erinnern, ich schrieb dir, dass es mir auch so gegangen ist. Ich hatte das Gefühl, dass eine Liebesbeziehung beendet wurde. Mein "Alles" hatte mich verlassen. Es klingt für manche sicherlich eigenartig, aber das ist es nicht. Wenn man ein sehr gefühlvoller und sensibler Mensch ist, und der bist du sicherlich, dann hat man auch tiefe und starke Gefühl, die einen auch manchmal überschwemmen können. Ganz egal in welche Richtung :). Dein Kopf versteht, dass du alles richtig mit deinem kleinen Kobold gemacht hast, denn nur so hatte er das Vertrauen in dich und konnte einen Schritt weitergehen. Weiter in seine Selbständigkeit, voller Vertrauen und Gewissheit, dass er das richtige macht <3 Ist das nicht wunderschön! Aber dein Herz ist trotzdem schwer. Glaube mir, es wird besser und alles wird wieder gut! Ihr beide habt auch ohne der Verbundenheit im Stillen eine starke Verbindung zueinander! Und als ich gelesen habe, dass er beim Einschlafen noch immer deine Brust hält - er hat es auch für dich getan. Ihr musstet beide langsam loslassen. Und ja, es ist wirklich nicht leicht das Loslassen. Und wir Mütter müssen da noch oft durch. Mein Mann - so sehr ich ihn auch liebe - hat es damals auch nur mit dem Kopf verstehen können. Ich glaube, dass Männer es nicht so verstehen können wie wir Frauen. Und das ist auch gut so, denn dann hätte unser Kind in dieser Zeit zwei traurige Eltern gehabt und das wäre ja gar nicht gut gewesen. Die Natur hat das also wunderbar eingerichtet :)
    Liebe Miriam, du wirst sehen, die Traurigkeit wird vergehen aber dir wird die Gewissheit bleiben, dass du deinem Kobold ein wunderschönes Geschenk gemacht hast, nämlich dass er den Zeitpunkt des Abstillen selber entscheiden durfte. Alles, alles Liebe und Gute wünsche ich dir. Von Herzen Claudia

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  2. Ich habe Deinen ehrlichen und berührenden Bericht sehr gerne gelesen und hatte den Eindruck, dass das doch alles wunderbar geklappt hat - offensichtlich hast Du ja den Kleinen gestillt, so lange er es wirklich brauchte, und als er es nicht mehr brauchte, hast Du ihn in seinen Rhythmus abstillen lassen - ist doch super! Er hat von selbst gemerkt, dass die Zeit vorbei ist und dass er eben kein "Baby" mehr ist, und jetzt kommt für Euch beide wieder etwas Neues, wo er selbständiger und unabhängiger wird und Du vielleicht auch wieder freier bist.
    Klar macht es ein bisschen traurig, dass diese ganz enge Babyzeit vorbei geht, aber wenn man Kinder hat, geht es ohne Loslassen gar nicht - das ist immer wieder und wieder eine Notwendigkeit (mein erstes Kind ist 20 Jahre, man glaubt gar nicht, wie oft Loslassen gefordert ist und wie schwer es fällt...)
    Ich wünsche Dir sehr, dass Du Dein Gleichgewicht schnell wieder findest und dass sich Deine Hormone schnell wieder einpendeln.

    Alles, alles Gute!

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  3. ""wenn er wieder ein Baby sei, dann würde er wieder Milch trinken"" das ist echt niedlich.
    Ich hab mich nach 14 Monaten auch erst nicht getraut abzustillen, aber meine Kleine kam dann in die Kita und hat dann einfach nicht mehr dran gedacht an die Brust zu wollen. Ich habe sie dann auch einmal noch heimlich gestillt, weil meine Brust zu voll war, aber war schon komisch. Jetzt ist sie 17 Monate alt und nuckelt seit kurzem an ihrem Daumen (sie hat keinen Schnuller). Am liebsten hat sie dabei ihre Hand in meinem T-Shirt. Entweder im Ärmel oder im Ausschnitt festgekrallt.
    Ich finde es auch toll, dass du deinen Sohn so lange er wollte gestillt hast. Bei Bekannten hat das Baby nach 3 Monaten keine Lust mehr gehabt und nicht gequengelt. Die wollte richtige Nahrung. Dabei wollte die Mama so gerne länger stillen. Das fand ich erstaunlich.
    viele Grüße, Eileen

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  4. Gut gemacht -und wurde Zeit für den Schritt; ehrlich.

    Es ist schwierig zu entscheiden, ob ich noch das K i n d
    oder primär m i c h selber stille.
    'Mich stillen' darf eine Weile sein, aber nicht zu lange.
    Denn sonst halte ich ja das Leben selber auf. Das ist weder im Interesse meines Kindes -noch letztlich in meinem.

    Du kannst dich auf eine andere, neue Zeit freuen! Schon verrückt: da ist so oft ein weinendes und lachendes Auge -gleichzeitig.






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